4. Kapitel: Reiter voraus
"Was denn? Bist du müde? Muss ich dich wieder tragen?" Darauf hatte Larim gewiss keine Lust, musste er doch schon ein stattliches Gewicht an Gepäck und Waffen schleppen, von dem langärmligen Kettenhemd, das er zwischen Stoff und Futter seines Wamses hatte nähen lassen, ganz zu schweigen. Aber das Mädchen war starr, presste sein Gesicht an Larims Rücken, klammerte sich mit beiden Händen an ihm fest. Sofort suchte er die Umgebung ab, entdeckte schnell die beiden Reiter auf dem einsamen Weg. Verdammt, wären der Wind und der verharschte Schnee nicht gewesen, hätte er sicher nicht die ganze Zeit nur vor seine Füße gestarrt. Auch wenn er die beiden Reiter nicht erkannte und momentan auch keine Feinde hatte (zumindest keine in dieser Gegend) ahnte er, dass sie Ärger bedeuteten. Niemand war bei diesem Wetter unterwegs, wenn er nicht etwas sehr wichtiges zu erledigen hatte. Oder Bauerntrampel ihn aus ihrem Dorf jagten.
Aus einer bloßen Vermutung wurde Gewissheit, als die beiden Reiter sie sichteten und ihren Gäulen die Sporen gaben, im schnellen Trab näher kamen. Unauffällig ließ Larim seinen Rucksack von den Schultern gleiten. "Halt mal." Dem Pochen nach hatte er das Gör auf den Kopf getroffen, jedenfalls ließ sie ihn los und nahm den Tornister aus Hirschfell, in dem ein Großteil seiner weltlichen Habe untergebracht war. Nämlich alles, was er nicht am Leibe trug oder seiner stummen Begleitung geliehen hatte. Mit klammen Fingern löste er die Lederschlaufen, die seine beiden Wurfbeile im Gürtel hielten. Vom Mantel verdeckt legte er die rechte Hand an das kalte Eisen, aus dem die scharfen Wurfwaffen geschmiedet waren. Die linke hingegen schlug offen den Mantel zurück, enthüllte sein getreues Langschwert, dessen schlichter aber silberner Griff zeigte, dass es weder billiger Armeeausschuss noch die Prunkwaffe eines Gecken war. Hoffentlich reichte es, um die beiden Reiter einzuschüchtern.
Es reichte nicht. Ohne ein Grußwort zügelten sie ihre Pferde, lenkten sie in genügendem Abstand, sicher 5 Schritt, zu beiden Seiten auf den harten Acker. Beide musterten ihn, gaben sich wenig Mühe, ihre Degen zu verhüllen oder freundlich zu wirken. Endlich sprach einer der beiden. "Wir suchen das Mädchen. Gib es uns." Larim zog eine Augenbraue nach oben. Sie waren hinter dem Gör her? Hatte sie was großes geklaut? "Ich habs gefunden, ich behalts. So ist das Gesetz der Straße. Was wollt ihr eigentlich mit so einem dürren Ding?" Die beiden Reiter umkreisten ihn weiter langsam, der eine zuckte schon mit der Hand zum Schwertgriff, der andere hielt ihn mit einer Geste zurück. "Ihre Eltern schicken uns. Du bekommst eine Belohnung. Was willst du?" Larim spuckte verächtlich aus. "Eine glaubwürdige Antwort? Ein Schreiben ihrer ach so treusorgenden Eltern? Oder wenigstens warme Füße? Nehmt eure Klepper und lasst mich durch! Wenn ihre Eltern sie wollen, können sie sie im nächsten Tempel abholen." Überraschenderweise hatten die beiden weder eine Legitimation noch Sinn für Humor.
"Mir reicht das Gelaber! Los, Greg, legen wir den Bastard um und nehmen die Kleine, und was er noch so dabei hat!" Also dann, wenigstens würde es Larim ordentlich warm werden. So oder so. Während der wütende Sprecher seinen Degen aus der Scheide riss, griff der andere nach etwas, das er vorne an seinem Sattel befestigt hatte. Larim wusste, wenn er gegen zwei Reiter zugleich bestehen wollte, musste er sofort und vor allem sofort richtig angreifen! In einer fließenden Bewegung riss er das Wurfbeil aus der Gürtelschlaufe und warf es Richtung Degenzieher, dann fuhr er herum, tastete nach dem zweiten Beil und schleuderte es gerade noch, als der andere schon die langläufige Radschlosspistole aus dem Halfter gezogen hatte.
Ein Schmerzensschrei hinter ihm zeigte, dass er getroffen hatte. Mit etwas Glück fiel der Degenschwinger aus, aber sein zweites Beil war knapp daneben gegangen, hatte gerade ausgereicht, den Pistolero einen Moment lang abzulenken. Sofort sprang Larim vorwärts, riss das Schwert aus der Scheide, griff mit der Linken nach den Zügeln des Pferdes. Wenn er Abstand gewann, konnte er Larim leicht abschießen, Reiter hatten selten weniger als 2 Pistolen dabei und Larim weder Deckung noch eine Rüstung aus Spinnenseide, in der sich die Kugeln von Feuerwaffen leicht vergruben. Um ein Haar entging ihm der Zügel, das Pferd bäumte sich auf, der Reiter versuchte die Pistole um den Pferdekopf herum zu bugsieren. Keine gute Idee, er hätte sich sofort absetzen sollen. Larim sprang vor, schlug zu, das Pferd wieherte panisch als seine Klinge sich in einen Vorderlauf vergrub.
Der Schuss knallte, ging aber weit daneben, da das Pferd sich aufbäumte und kaum noch gezügelt werden konnte. Der Reiter kämpfte mit seinem Tier, versuchte es wieder unter Kontrolle zu bringen. Hinter sich hörte Larim Hufe auf den harten Boden einhämmern, und nur ein unwürdiger Sprung zur Seite rette ihn vor eisernen Hufen und einer nicht weniger bedrohlichen Degenklinge. Dennoch kam er nicht ungeschoren davon, steinharte Erdklumpen gruben sich tief in seinen Rücken und hinterließen satte Prellungen. Um die er sich später kümmern musste. Jetzt brauchte er ersteinmal eine Fernwaffe, sonst konnte er die Reiter unmöglich abwehren. Sie waren zu schnell und zu massig, um sich in einen Nahkampf verwickeln zu können und Larim hatte keine Stangenwaffe, um sie auflaufen zu lassen. Seine Beile waren weg, Weihwasser und Granaten in dieser Situation unbrauchbar, die Dolche zu klein. Blieb also nur noch die Donnerbüchse in seinem Rucksack. Und den hatte das Mädchen.
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