Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Irgendwann später kratzte Larim die letzten Reste aus dem kleinen Eisentopf. Zwiebackbrei mit Ziegenkäse, Dauerwurst und Wein. Wahrlich, ein erlesenes Mahl, auch wenn die Kleine mehr als die Hälfte in sich hineingestopft hatte, was seine These vom Bettlerkind untermauerte. Andererseits, welches Kind hatte im Winter keinen Hunger? Aus gutem Bürgerhause oder gar Adelsgeschlecht stammte sie jedenfalls nicht, so viel stand fest. Selbst wenn ein Kind so dumm war, aus dem warmen Nest zu flüchten, und das auch noch im Winter, würde es sicher bessere Kleidung mitnehmen. Außer vielleicht, es wurde Opfer eines Überfalles. Aber Räuber, die ihren Opfern im Winter die Kleider stahlen, hatten selten Scheu jeden Zeugen zu töten, und sei er noch so jung.
Larim stellte den Topf weg, schmiegte sich noch etwas enger an das eiskalte Mädchen vor ihm, damit sie von beiden Seiten gewärmt wurde, und zog Mantel und Decke zurecht. Seine Ersatzkleidung hatte er ihr um die Füße gewickelt, und so steckten seine immer noch in den klammen Stiefeln. Er bettete seinen Kopf auf den linken Arm, der rechte ruhte auf dem eiskalten Gör, die Hand auf dem Schwert, das er unter der Decke verborgen hielt. Morgen liefere ich sie irgendwo ab, dachte er, und dann leg ich mich drei Tage lang in das wärmste Bett, das ich finden kann. Und wenn irgendein gieriger Wirt oder abergläubischer Bauerntölpel ihn daran hindern wollte, würde er endlich wieder sein Schwert sprechen lassen!

3. Kapitel: Der Aufbruch

"Komm schon, trödel nicht!" Enja stapfte durch den nicht sehr hohen, aber harten Schnee. Unter jedem Schritt ihrer kleinen, mit Lumpen umwickelten Füße knirschte und splitterte er, stach in ihre Füße, und so versuchte sie in die Stapfen seiner festen Schuhe zu treten, machte weite Schritte und fand sogar etwas Gefallen an dem Spiel. Um die Schultern hielt sie sich die Wolldecke des netten Mannes mit den vielen Waffen, und irgendwie hatte er ihr auch ein teures besticktes Wams und eine Hose aus echtem dunkelrotem Samt angezogen. Und ihr ziemlich plastisch geschildert was er mit ihr machen würde, wenn er auch nur den kleinsten Riss darin finden würde. "Was ist? Sind dir die Ohren zugefroren?" Enja sah auf, nickte, rannte einige Schritte, bis sie wieder direkt hinter ihrem Retter war. Ihre kleine Hand fasste seinen Mantelsaum, und sie tapste hinter ihm her.

Eiskalter Wind fuhr um Larims Beine, als der schützende Mantelstoff nach oben gezogen wurde. Larim seufzte leise, schimpfte aber nicht weiter mit ihr. Sie hatte schon genug mitgemacht, und außerdem mochte er keine Leute, die ständig an ihren Kindern herumnörgelten. Vielleicht sollte er irgendwas nettes machen? "Wie heißt du?" Keine Antwort. Im Laufen drehte er sich um, sah sie an. Große Augen erwie-derten zutraulich seinen Blick. "Kannst du nicht sprechen? Bist du stumm?" Wieder kein Wort. Aber sie schien ihn zu verstehen, hatte weder den wirren "ich verstehen leider kein Ausländisch"-Blick noch das dumpfe starren dummer Kinder, wie man sie nicht selten in den ganz abgelegenen Dörfern fand. Bauerntölpel, dämliche, vögelten innerhalb der Familie und wunderten sich, wenn der Nachwuchs elf Finger hatte...

Während der Mann leise irgendwelche Flüche vor sich hinmurmelte, ließ Enja ihren Blick über die weiten, leicht hügeligen Felder und Wiesen schweifen. Noch 2 oder 3 Stunden bis zur Landstraße, hatte der Mann gesagt, und dann ab ins nächste Gasthaus. In der Ferne sah sie zwei Reiter. Der Wind ließ ihre dunklen Umhänge flattern wie die Mähnen und Schweife ihrer Pferde. Enja erstarrte. Furcht, schlimmer als die schärfste Winterkälte, ließ ihren Körper erstarren, bis ein Ruck ihr den Mantelsaum des Mannes vor ihr aus der Hand riss. Panisch sprang sie hinter ihm her, klammerte sich mit beiden Händen an ihm fest.

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