Diebestraum
von Lennart Hintz
Die späte Nacht oder viel mehr der frühe Morgen dieses kalten Wintertages sah zwei charakteristische Gestalten durch das nächtliche Nevongard gehen oder besser, schwanken. Mittelgroß und hager die Eine, untersetzt und kräftig die Andere, so stützten und hielten sich diese beiden Männer gegenseitig, um nicht zu fallen und in Kontakt mit dem schmutzigen Pflaster der Gosse zu kommen. Näherte man sich den beiden, so konnte man einer trotz lallender Aussprache interessanten Unterhaltung lauschen.
„Bendix, heute hat unser alter Freund und Gönner Blaudorn aber eine schöne Tafel organisiert, oder?“ „Wie immer, Rainald, wie immer, oder?“ Der untersetzte Mann, offenkundig Bendix, leckte sich genießerisch die Lippen und strich sich über den Bauch, über dem sich ein teures, samtenes Wams allerhöchster Güte gefährlich spannte. „Nun, bourbonische Köstlichkeiten fahren selbst Blaudorns Köche nicht jeden Tag auf, das in Fenchelsoße gedünstete Krabbenfleisch war einfach... göttlich!“ „Und rosig wie eine bourbonische Jungfrau.....“, fügte der Hagere hinzu und brach in trunkenes Gelächter aus. Während die beiden weiter durch die nevongardische Nacht taumelten, ihren Quartieren entgegen, sprachen sie über dies und das, vor Allem aber über die Zeit vor rund 20 Jahren als sie selbst, damals junge, unerfahrene Bengel, ihre erste Anstellung als Leibwächter Blaudors gefunden hatten.
Wenig später trennten sich ihre Wege – Bendix bog ab ins teure Kaufmannsviertel nahe des Gildenmarktes, wo sein florierender Im- und Exporthandel ihm de Unterhalt einer großzügigen Stadtvilla erlaubte.
Rainald atmete tief durch, um den Alkoholnebel in seinem Kopf zu vertreiben und wankte weiter zu seiner eigenen Bleibe, einer kleinen, von außen schäbig anmutenden Wohnung am Rande der Unterstadt, die seine auf zahlreichen Expeditionen angehäuften Reichtümer besser zu schützen und zu verbergen vermochte als drei scharfe Kampfhunde.
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