Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Winternacht

von Niels Bengner

1. Kapitel: Die Flucht

Wütend fauchte Larim, stieß eine schnell verfliegende Dampfwolke zwischen den Zähnen hervor. Verdammtes Bauernpack! Spät am Abend war er in dem ebenso namen- wie gottlosen Dorf angekommen, hatte gutes Silber geboten für nicht mehr als eine Nacht unter einem schützenden Dach, notfalls gar im Stall, wo es bei allem Gestank und Lärmen des Viehs immerhin warm war. Aber die hässlichen schmutzverkrusteten Tölpel hatten ihn fortgejagt, mit Äxten und Mistforken in der Hand, hatten ihm nicht einmal eine Stunde in der warmen Stube und einen Becher heißen Wein zum aufwärmen gegönnt. Gewissenlose Bastarde!

Natürlich war Larim es gewohnt, nur selten mit offenen Armen empfangen zu werden. Er war hager und trotz seiner jungen Jahre schon zernarbt, trug mehrfach geflickte Kleidung (wenn auch aus gutem Tuch) und dazu mehr Waffen, als ein einfacher Reisender zu seinem Schutz mitführen würde. Und um seinen Hals lag ein schweres Lederband mit drei Reihen silberner Stachel, wichtiges Utensil und nicht misszuverstehendes Abzeichen seines Berufes. Es sollte Vampire, Werwölfe und vor allem die stets lästigen Ghule davon abhalten, ihre Zähne in seinem Hals zu versenken, während er im Gegenzug ihre von Verdammnis durchseuchten Gliedmaßen abhackte, mit Weihwasser verbrannte oder mit Silber spikte. Er war Vampirjäger, und auch wenn es nicht gerade einer der edelsten oder angesehensten Berufe war, war er vorbehaltlos stolz darauf.

Die Menschen brauchten nunmal harte und erfahrene Kerle wie ihn, die sie von den blutgierigen Verdammten befreiten, die gerade für abgelegene Dörfer stets eine akute Gefahr waren. In den Städten, geschützt von hohen Mauern, Wachen, Priestern und Magiern, konnten nur sehr geschickte Vampire mehr als einmal Beute machen. Hier auf dem Land, wo die Grundherren zwar stets die Pacht eintrieben aber nur selten wirklich für Schutz sorgten, mussten Freiberufler wie er die Welt von diesem schon zu lebzeiten toten Abschaum befreien.

Aber das hieß natürlich nicht, dass Vampirjäger willkommen waren, dass man sich gerne mit ihnen in der Öffentlichkeit zeigte oder sie zum Mittagessen mit Frau, Kindern und dem Herrn Pfaffen einlud. Bislang war er noch nie derart offen und feindselig abgewiesen worden, hatte sich nur mit schlechten Zimmern, einem Essplatz in der Küche oder schamlos überhöhten Preisen abfinden müssen (die nach einer dezenten Handbewegung zum Schwertgriff hin schnell normalisiert wurden). Doch heute, mitten im harten albionischen Winter, hatte man ihn einfach aus dem Dorf gejagt, mitten hinein in die beißend kalte Nacht. Verächtlich spuckte er aus, meinte, ein Klimpern auf dem gefrorenen Boden zu hören. Scheiße, war das kalt!

Immerhin war es nicht mehr weit bis zum Wald, der finster und wenig einladend im fahlen Licht der beiden Monde vor ihm lag. Dort würde der Wind nicht so beißen, er könnte sich einen kleinen Unterstand bauen, ein Bett aus Zweigen und Laub bereiten und vor allem ein Feuer anzünden. Larim war nicht gerade ein Waldläufer, aber viel unterwegs und immer gut ausgerüstet. Auch wenn Wolldecke und auf dem Feuer aufgetauter Zwieback sich weniger gut anhörten als dicke schwere Federbetten und heißer Eintopf. Immerhin, er müsste nicht die Gegenwart dieser jämmerlichen Bauerntölpel erdulden...

Unterdrückt fluchend arbeitete sich Larim Schritt um Schritt auf dem Weg voran, bis er endlich die windgepeitschten Felder verließ und in den deutlich dunkleren Wald eintrat. Sein Fluchen wurde lauter und wütender, als er zum fünfzehnten mal versuchte, mit einem kleinen Flintstein und dem rauen Stahlrand der Zunderbüchse Feuer zu machen. Irgendwann ließ er mit klammen Finger die Zündutensilien fallen, fluchte ausgiebig und in allen Sprachen die er kannte. Es schien ihn irgendwie zu wärmen. Seufzend akzeptierte er die erneute Niederlage, griff nach seinem Rucksack, der neben dem ordentlich angeordneten Feuerholz lag, und kramte seine kurzläufige Donnerbüchse und das Pulverhorn heraus. Er schüttete großzügig von dem alchimistischen Pulver auf das Holz (zu viel, wenn man den Preis bedachte) und legte an. "Du hast es geschafft. Jetzt bin ich sauer!".

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