Andrej spendierte freigiebig einige Runden für die Fuhrleute, um seine Dankbarkeit dafür zu zeigen, dass sie ihn mitgenommen hatten. Er selbst bemühte sich, möglichst wenig zu trinken und schaffte es auch, relativ nüchtern zu bleiben.
Nachdem endlich alles ins Bett gegangen war, schlich sich Andrej zu den im Hof abgestellten Fuhrwerken hinunter. Zwei Mann aus der Eskorte schoben dort gelangweilt Wache. Was sollte hier schon passieren? Andrej drückte sich in einen dunklen Winkel an einer Hausecke und wartete, bis sich einer der Wachtposten eine neue Pfeife anzündete.
Die Wagen waren offen, die Ware nur durch eine Plane vor der Witterung geschützt. Wenn es ihm gelang, den freien Streifen zwischen Haus und Wagen zu überqueren, würde er unbehelligt in das Innere des letzten Wagens gelangen können.
Andrej wartete, bis der Mond hinter einer Wolke verschwunden war und huschte dann leise zum Wagen. Er zog sich hinauf und verbarg sich hinter einem Tuchballen. Das Tuch schien ihm nur von mäßiger Qualität zu sein, allerdings war er natürlich kein Experte.
Der Paladin schob die Tuchballen auseinander und begann vorsichtig, die Ladung zu durchsuchen. Nichts. Er drang tiefer nach unten vor. Der Stoff war rau und knotig, und die Ballen wogen schwer. Endlich fand er, was er suchte. Weit unten stießen seine Finger auf mehrere kleine, in Wachstuch gehüllte Bündel.
Andrej steckte eines der Bündel ins Cape und machte sich vorsichtig auf den Rückweg. Plötzlich brach der Mond durch die Wolken und tauchte den Hof in bleiches Licht. Er erstarrte bewegungslos und wartete. Endlich verschwand der Mond wieder hinter den Wolken.
Andrej huschte in die Poststation zurück und zog sich in seine Kammer zurück. Vorsichtshalber blockierte er die Tür von innen mit einem Stuhl, bevor er begann, das Bündel zu untersuchen.
In dem Bündel fand er ein helles, grob zerstoßenes Pulver. Er roch vorsichtig daran und probierte danach einige wenige Krümel. Die Substanz war geruchlos, hinterließ aber eine taube Stelle auf der Zunge. Nun gut. Er würde in Nevongard einen Experten fragen, Rainald zum Beispiel.
Andrej überlegte, ob er schon des Nachts nach Nevongard vorrausreiten sollte, entschied sich aber dann dagegen. Er wollte sich nicht verdächtig machen, sondern hoffte, Balding als Empfänger der Drogenlieferung dingfest machen zu können.
Am nächsten Morgen bedankte sich Andrej nochmals bei den Fuhrmännern des Kaufmannszuges und machte sich auf den Weg nach Nevongard, das Wachstuchpäckchen sicher in der Satteltasche verstaut.
Am frühen Nachmittag erreichte der Paladin Nevongard und begab sich schleunigst zum Orden, um Gregorian zu informieren. Der Ordensvorsteher begrüßte ihn freundlich, aber mit Gramesfalten auf der Stirn. „Konntest du deinen Auftrag erfüllen, Andrej?“
„Das konnte ich. Allerdings schien irgendwer großes Interesse am Inhalt der Depesche gehabt zu haben.“ In aller Schnelle berichtete er von den Angriffen, derer er sich hatte erwehren müssen. Schließlich berichtete er von seiner Entdeckung auf der Rückreise. Gregorian war beeindruckt. „Du hast sehr besonnen gehandelt. Ich hoffe, wir können Balding noch heute überführen!“
„Wie geht es Friedbert?“, erkundigte sich Andrej. „Hat er die Revision schon zu Ende geführt?“
„Leider war er dazu nicht in der Lage. Er wurde auf das Übelste vergiftet und liegt im Hause der Matrina, mehr tot als lebendig.“
„Wie konnte das passieren?“, ereiferte sich Andrej. „Du streust Salz in meine Wunde, mein Sohn“, antwortete der gramgebeugte Gregorian. Aufgrund meiner Pflichten habe ich ihn viel zu häufig allein gelassen. Ich vermute, dass er in Baldings Kontor vergiftet wurde, während ich hier die Angelegenheiten des Ordens geregelt habe – beweisen kann ich das aber nicht.“
Andrej war schockiert. Sie mußten Baldings Machenschaften ein Ende setzen, soviel war klar. „Wirst du die Stadtwache einschalten?“ Gregorian zögerte. Andrej wußte, aus welchem Grund. Die Stadtwache galt als unzuverlässig, korrupt und unfähig. Gregorian seufzte und antwortete: „Ich denke, wir sollten das ganze selber in die Hand nehmen – und zwar in möglichst kleinem Kreis. Ich besorge die notwendigen Vollmachten vom obersten Ratsherren, du stellst aus deinen Freunden eine kleine, zuverlässige Truppe zusammen.“
Andrej nickte und sie verabredeten, sich in drei Stunden wieder im Orden zu versammeln.
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