5. Kapitel: Handel im Wandel
Schon am nächsten Tag machte sich Andrej auf den Rückweg nach Nevongard. Rainier hatte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit im kleinen Orden von Freibrück willkommen geheißen und für sein körperliches Wohl gesorgt. Ein Arzt hatte sich seiner Wunden angenommen und insbesondere den Schildarm nochmals gründlich versorgt.
Über den Inhalt der Depesche hatte Rainier ihn nicht informiert, allerdings hatte der Ordensvorsteher ihm sofort eine dringende Antwort an Gregorian anvertraut. So machte sich Andrej erneut auf den gefährlichen Weg über die Brücke. Doch diesmal hatte Rainier für eine Eskorte von immerhin zwei Rittern und zwei Schildknappen gesorgt, die ihn sicher über die Freibrücke zurückgeleiten sollten.
Mit dieser Eskorte gestaltete sich der Rückweg zur gomdischen Seite wesentlich angenehmer. Die zwielichtigen Gestalten auf der Brücke hielten respektvollen Abstand und die Assasinen waren nicht zu entdecken. Andrej vermutete, dass sie sich längst davongemacht hatten.
Sie erreichten die gomdische Seite unbehelligt, wenn man von einigen freizügigen Angeboten der Prostituierten einmal absah. Andrej verabschiedete sich von seiner Eskorte und ritt davon, um diese unglücksselige Stadt schnellstens hinter sich zu lassen.
Zum großen Erstaunen verlief seine Rückreise nach Nevongard ersteinmal fast ereignislos. Auf der Reichsstrasse begegneten ihm nur wenige Menschen, einige Händler, ein paar Reisende und einige Kurierreiter. Niemand schien sich für ihn zu interessieren, so dass er unbehelligt seiner Wege reiten konnte.
Erst einen guten Tagesritt vor Nevongard wurde Andrej aus seiner Lethargie gerissen. Er passierte einen größeren Kaufmannszug, der ebenfalls nach Nevongard unterwegs zu sein schien. Andrej ritt langsam vorbei und betrachtete die Wagen. Es waren insgesamt vier größere Fuhrwerke, die mit Stoff beladen zu sein schienen. Auf den Abdeckplanen prangte das Zeichen des Kaufmannes: Zwei stilisierte rote Tuchrollen auf blauem Grund. Rote Tuchrollen? Andrej war sich sicher, dieses Wappen schon einmal gesehen zu haben... Bei Balding? Tatsächlich, dieses Wappen gehörte Baldings bevorzugtem bourbonischen Lieferanten Louis Vutton aus Freibrück.
Der Paladin betrachtete die Eskorte des Kaufmannszuges und grüßte freundlich. Sein Winken wurde erwidert und Andrej ritt davon. Diese Gelegenheit war zu günstig! Er brannte darauf, Balding einen Steuerbetrug nachzuweisen und Gregorian zu zeigen, dass er sehr wohl in der Lage war, eine Aufgabe konzentriert und kaltblütig zu Ende zu bringen.
Andrej hielt an, sobald er außer Sichtweite des Kaufmannszuges war. Der Paladin sprang vom Pferd, hockte sich nieder und schlug mit dem Knauf seines Schwertes das Hufeisen vom rechten Vorderbein seines Pferdes und hockte sich auf die Straße, als ob er den Huf seines Pferdes untersuchen würde.
Als wenig später der Kaufmannszug um die Wegbiegung kam, sprach der junge Paladin den vordersten Kutscher an. „Ho. Habt ihr einen Hufschmied dabei?“ Der Kutscher blickte mitfühlend auf das Pferd und schüttelte den Kopf. „Mein Pferd hat sich vertreten und ich würde es gern schonen. Würdet ihr mich bis zur nächsten Poststation mitnehmen?“ Der Kutscher nickte und wies auf den Platz neben sich. Andrej band sein Pferd hinten am Wagen an und nahm vorne neben dem Kutscher Platz.
Sein Plan war einfach: Er wollte die Bediensteten aushorchen und nach Möglichkeit einen Blick auf die Ladung der Wagen riskieren. Leider erwies sich der Kutscher des ersten Wagens nicht als Mann der großen Worte. Erst abends in der Poststation gelang es ihm, mit einigen Leuten ins Gespräch zu kommen.
Offenbar hatte dieser Kaufmannszug in Freibrück bourbonische Stoffe von Louis Vutton übernommen und war damit auf dem Weg nach Nevongard. Allerdings mochte er nicht zu aufdringlich fragen und so beschränkte er sich darauf, am Abend mit den Fuhrleuten und der Eskorte Wein zu trinken und einige Geschichten auszutauschen.
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