Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Andrej blickte auf, als die Frau des Postmeisters eintrat. Sie war eine resolut wirkende, kräftige Frau um die 40, die einen Tiegel bei sich trug. „Frostklinge?“ fragte sie. Andrej nickte. „Ich bin kein Arzt, aber ich kann den Arm ersteinmal versorgen. Reitet ihr nach Freibrück? Ja? Nun, dann solltet ihr dort unbedingt einen Arzt aufsuchen.“ Sie strich eine übelriechende, schwärzliche Salbe aus dem Tiegel auf Andrejs Arm und massierte sie mit einem groben Bimsstein tief in die Muskulatur ein. Augenblicklich begann der Arm zu brennen und zu stechen. Der Paladin biss die Zähne zusammen, merkte aber zu seiner Freude, dass er die Finger wieder bewegen konnte. Er dankte der Frau und versprach, in Freibrück zu einem Arzt zu gehen.
Er setzte sich an einen leeren Tisch und verzehrte sein Abendessen, irgendeinen undefinierbaren Eintopf, der aber heiß und sättigend war. Andrej suchte nach einer Möglichkeit, seine Depesche unbehelligt nach Freibrück zu bringen. Wer wollte ihm so nachdrücklich ans Leder? War die Depesche so wichtig? Oder steckte Balding dahinter?
Andrej begab sich nach dem Essen schnell auf sein Zimmer, um neugierigen Fragen aus dem Weg zu gehen und seine Gedanken zu ordnen. Seine Kammer war äußerst spartanisch eingerichtet und verfügte lediglich über ein kleines Fenster. Zum Glück hatte man sich mit den Ställen mehr Mühe gegeben, Andrej hatte sich gleich bei der Ankunft vergewissert, dass sein Roß gut untergebracht war und die nötige Versorgung erhielt. Der Bolzen hatte zum Glück legiglich eine Fleischwunde an der Hinterhand verursacht.
Am nächsten Morgen erwachte der junge Paladin in aller Frühe und fühlte sich völlig zerschlagen. Sicher die Nachwirkungen des Kampfes in Verbindung mit der spartanischen Pritsche, auf der er genächtigt hatte. Andrej kniete sich zu einem morgendlichen Gebet nieder, um dann die Poststation so schnell wie möglich zu verlassen.

Als er im Morgengrauen davonritt, hatte er das untrügliche Gefühl, beobachtet zu werden. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm aber lediglich die schlafende Poststation. Der Paladin zuckte mit den Schultern und ritt zügig, aber nicht zu schnell weiter in Richtung Bourbon.
Erneut wünschte er sich seinen Freund Sirion an seine Seite, weil der kleine Jäger sicher mehr mit den Spuren auf der Reichsstrasse hätte anfangen können. Für Andrej bildeten die Huf- und Wagenspuren auf dem matschigen Untergrund ein unübersichtliches Einerlei, das er nicht zu entschlüsseln vermochte.

Gegen Mittag erreichte er eine Gabelung der Strasse. Der eine Abzweig führte – so besagte der Wegweiser, der überraschenderweise vorhanden war – nach Freibrück. Auf dem anderen Schild stand „Hainburg“. Nahe des Wegweisers saß eine etwas schäbige Gestalt im Gras und verzehrte ein frugales Mittagsmahl. „Ho, guten Tag,“ grüßte er den Paladin. Es handelte sich offenbar um einen fliegenden Händler, der seinen beladenen Esel bei sich hatte. Andrej grüßte freundlich zurück, fühlte sich aber von den stechenden grauen Augen seines Gegenüber alarmiert.
Spontan entschloß er sich, Vorsicht walten zu lassen – wer wußte schon, ob nicht dieser Händler auf der Lohnliste seiner unbekannten Gegner stand? „Wie weit ist es noch nach Hainburg?“ fragte er.
„Nach Hainburg wollt ihr? Noch ein knapper Tagesritt von hier, edler Herr“, antwortete der Händler mit einem abschätzenden Blick auf Andrejs edles Roß. Der Paladin dankte mit einem Nicken und bog ab auf den Weg nach Hainburg. Noch immer wurde er das unangenehme Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Allerdings bemerkte er außer einigen Reisenden niemanden.

Wenig später erreichte er eine Stelle, die für sein Vorhaben ideal erschien. Die Strasse querte ein kleines Flüßchen auf einer steinernen Brücke. Sehr gut. Prüfend schaute Andrej über das Geländer. Der Fluß schien nicht allzu tief zu sein und lag nur wenig unter der Brücke. Noch besser. Andrej schaute sich nach etwaigen Beobachtern um und gab seinem Pferd die Sporen. Kurz vor dem Brückengeländer zog er die Zügel an und sein Roß sprang mit einem mutigen Satz in das Flußbett hinab. Das Wasser war nicht mehr als Knietief, würde die auffälligen Spuren der beschlagenen Hufe aber sicher verbergen. Andrej trieb sein Pferd etwa eine Viertelstunde im Flußbett weiter und ritt erst dann am Ufer weiter.

Er überprüfte die Himmelsrichtung und schlug eine Richtung ein, die ihn früher oder später zurück auf die Reichsstraße nach Freibrück bringen mußte. Die Nacht verbrachte er aus reiner Vorsicht allein unter seiner Decke im Wald. Am nächsten Tag erreichte er die Reichsstraße weit von der Kreuzung entfernt und setzte zuversichtlich seinen Weg fort.

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