Andrej ging jetzt entschlossener vor. Über kurz oder lang würden ihn die beiden Angreifer entwaffnen oder verwunden können, wenn er sich nichts einfallen ließ. Der Paladin führte einen schnellen Angriff auf die Füße des ersten Gegners, der Probleme hatte, seinen schweren Zweihänder rechtzeitig nach unten zu reißen. Andrej nutzte seine Chance und stach blitzschnell mit der Klingenspitze zu. Er traf genau an der Naht des Kettenhemdes, die zwischen Brünne und Schulter verlief. Das Breitschwert drang tief ein und ließ tiefrotes Blut hervorquellen, das in der Dämmerung fast schwarz wirkte. Der Getroffene taumelte langsam zurück und krümmte sich zusammen, blieb aber mühsam auf den Beinen.
Der zweite Gegner hatte seinerseits Andrej angegriffen und erneut den Schildarm getroffen, der jetzt vor Kälte fast erstarrte. Andrej musste fassungslos mitanschauen, wie ihm der Schild aus den Fingern glitt, als ob er völlig entkräftet wäre. Trotzdem wurde der junge Paladin jetzt zuversichtlicher, weil er nur noch einem Gegner gegenüberstand. Sicher, der Mann verfügte über die bessere, gefährlichere Waffe und war unverletzt, doch Andrej war es gewohnt, im Zweikampf seinen Mann zu stehen.
Jetzt waren in der ferne Stimmen zu hören und ferne Lichter flackerten auf der Strasse. Waren das weitere Spießgesellen seiner Verfolger oder kam Hilfe von der nahen Poststation? Andrej verteidigte sich erbittert, mußte aber anerkennen, dass sich sein Gegner in der Verteidigung keine Blöße gab. Die Rufe näherten sich immer mehr und plötzlich ließ der Mann mit dem Schmiß von ihm ab und verschwand mit seinem Kumpanen in der Dunkelheit.
Die Stimmen kamen tatsächlich von den Postangestellten, die mit Fackeln ausgerüstet die Strasse entlangliefen. „Ist euch etwas passiert, Herr Paladin?“ Andrej winkte dankend ab und spürte Erleichterung und Erschöpfung in sich aufsteigen. Er fühlte sich völlig ausgelaugt, sein linker Arm hing nutzlos herab. Einer der Männer – der örtliche Postmeister – reichte ihm eine kleine Flasche mit Weinbrand und fragte: „Seid ihr verletzt?“ Wer waren diese Schufte?“
Andrej nahm einen Schluck des Weinbrandes und hustete ein wenig. Hatte der Postmeister den Schnaps selbst gebrannt? Er beschloß, möglichst wenig über den Vorfall zu erzählen und sagte lediglich, dass es sich wohl um einen normalen Raubüberfall gehandelt habe.
„Gibt es hier einen Arzt?“ Einer der Männer, die zwischenzeitlich Andrejs Pferd eingefangen hatten, lachte verächtlich. „Einen Arzt? Hier? Ihr seid genau zwischen Nevongard und Freibrück mitten in der Provinz. Ärzte gibt es hier keine. Die Frau vom Postmeister kennt sich ein wenig mit Heilkunde aus.“
Andrej dankte und folgte den Männern schweigend zur Poststation, die aus einem Gasthaus, einem kleinen Stall mit angrenzender Koppel sowie zwei kleinen Katen bestand. Im Inneren der Station saßen einige Männer beim Essen, die den Neuankömmling neugierig, aber freundlich beäugten. Der Postmeister winkte Andrej in einen angrenzenden Raum und wies ihn an, den verletzten Arm zu entblößen.
Der Paladin entledigte sich seiner Rüstung und streifte den Ärmel des Untergewandes nach oben. Auf den ersten Blick wirkte der Arm unverletzt, das Taubheitsgefühl war allerdings noch immer nicht gewichen. Nahe der Stelle, die von der Frostklinge getroffen worden war, war die Haut blassblau verfärbt und wirkte völlig blutleer.
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