Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Bendix´ Klinge drückte das Kurzschwert des Straßenkämpfers zu Boden, wo es mit lautem Knirschen zersplitterte. Doch der Schlag des Händlers war derart mächtig gewesen, dass er die Wucht nicht mehr stoppen konnte und seine Waffe knirschend in den sandigen Untergrund bohrte. Ein leises Knacken ertönte und auch dieses Schwert barst in zwei Teile. Die beiden Kämpfer standen sich mit ungläubigen Blicken gegenüber und betrachteten traurig die zerborstenen Waffen.

Just in diesem Moment kam Blaudorn hinzu und keuchte: "Euch beide suche ich! Ich brauche eure Hilfe!" "Was macht ihr denn hier, Herr Kaufmann?", wollte Bendix vor Erschöpfung krächzend wissen. Blaudorn berichtete, was auf der Garteninsel passiert war, umschrieb sein Stelldichein mit seiner Braut aber so, als wenn die beiden lediglich Händchen gehalten und Gedichte rezitiert hätten. Rainald grinste und konnte nicht umhin, eine leise, unflätige Bemerkung zu machen, doch Blaudorn, sonst ein humorvoller Zeitgenosse, brachte ihn mit einer schnellen Handbewegung umgehend zum Schweigen. "Die übliche Bezahlung, plus eine Belohnung von zehn Prozent, falls ihr das Schmuckstück widerbeschaffen könnt. Das Angebot gilt natürlich auch für Eure Freunde Sirion, Baldowan und Andrej!" Bendix dachte an seine finanzielle Situation und überlegte gerade, wie er am Besten mit dem Feilschen beginnen sollte, als er den verzweifelten Blick des Kaufmannes sah.
Er nickte kurz und besprach sich dann mit Rainald. "Du paddelst so schnell wie möglich zur Garteninsel, ich hole die Anderen, in Ordnung?" Der Straßenkämpfer trat sein zerborstenes Schwert beiseite und verschwand im Laufschritt vom Hof, um den Picknickplatz zu sichern.
Rainald bemühte sich nach Kräften, Blaudorns Diener davon abzuhalten, wie zwei aufgescheuchte Hühner über den Picknickplatz zu laufen, auf dem die Decke noch immer ausgebreitet lag, doch ganz konnte er die beiden nicht daran hindern. Als endlich Bendix gemeinsam mit Baldowan, Andrej und Sirion eintraf, senkte sich die Sonne bereits gen Horizont. Baldowan und der Paladin Andrej sahen sich kurz um und fragten dann: "Und was sollen wir hier? Wir sind keine Spurensucher, oder?" "Blaudorn bezahlt und er will, dass wir alle nach dem Schmuckstück suchen, also suchen wir. Klar?"
Die beiden nickten und begannen, nach Personen zu suchen, die möglicherweise etwas gesehen haben konnten. Unterdessen schritt der kleine Jäger Sirion mit konzentrierten Blick um den Picknickplatz herum und musterte jeden Grasbüschel auf das Genaueste. Der Elf kniete nieder, bog einige Kräuter zur Seite und wurde fündig. Irgendwer hatte eine hübsch verzierte Haarspange aus Koralle verloren. Die Spange schien soldalischen Ursprungs zu sein, doch ganz sicher war sich Sirion nicht. Er zuckte die Schultern und ließ das Beweisstück vorerst in seiner Tasche verschwinden.
Anschließend begann er, das Gras auf Knien rutschend zu durchkämmen, doch für ihn als erfahrenen Spurenleser sah der Rasen aus, als sei eine Herde Elefanten hier entlang gelaufen, und das mehrmals. "Nun, kannst du schon etwas sagen?", wollte Bendix wissen, der nicht zu nah herangetreten war, um Sirions Arbeit nicht zu erschweren. "Tja", machte Sirion, "hier sind sehr viele Leute entlang getrampelt. Unter anderem eine Person mit sehr großen Füßen, die vermutlich ziemlich viel Speck auf den Rippen hat. Schaut hier, wie tief die Fußabdrücke sind! Hilft uns das weiter?"
Bendix schüttelte den Kopf und wies auf die beiden Diener, die nervös auf- und abgingen. Einer von Ihnen hatte wahrhaft enorme Füsse und war von sehr kräftigem Köperbau. Sein Wams spannte sich über einer gewaltigen Wampe. "Er kann es kaum gewesen sein, Blaudorn legt für die beiden seine Hand ins Feuer!" Sirion studierte den Boden und ergänzte dann: "Außerdem ist hier eine Person gewesen, die Lederstiefel getragen hat, mit denen ER vorher über lehmigen, sandigen Untergrund gelaufen ist." Der kleine Jäger blickte vorwurfsvoll zu Rainald und begann dann, lauthals zu schimpfen. "Wann lernst du endlich, mir die Spurensuche zu überlassen? Du weisst ganz genau, das du die Spuren zerstörst!" "Woher willst du das denn wissen?", stammelte Rainald und errötete. Sirion gestattete sich ein schmales Lächeln und wies auf Rainalds leichte Lederstiefel, an denen noch etwas Sand haftete.
"Aber", ergänzte der kleine Jäger, "Hier muss das Schmuckstück gelegen haben und hier hat eine weitere Person gestanden und sich gebückt." Der kleine Elf deutete auf eine Delle im weichen Boden, die vage einem Edelstein ähnelte und auf zwei Fußspuren, die an den Spitzen tiefer eigedrückt waren als an den Fersen. "Leider hilft uns das nur sehr wenig", ergänzte der Spurensucher. "Warum?" "Weil diese Abdrücke von typischen Arbeiterstiefeln in mittlerer Größe sind, die keinerlei besondere Merkmale aufweisen." Bendix nickte stumm. Das waren keine guten Voraussetzungen, da viele der Fischer, Arbeiter und Tagelöhner eben solche Stiefel trugen. Inzwischen waren Baldowan und Andrej von ihrem Rundgang zurückgekehrt und berichteten, was sie herausgefunden hatten. Leider war es herzlich wenig.

Keiner der zahlreichen Ausflügler hatte etwas gesehen, niemandem war etwas Verdächtiges aufgefallen. Baldowan grinste leicht und fügte dann hinzu: "Aber wir haben viele, viele Paare in verfänglichen Situationen angetroffen! Vielleicht sollten wir unser Einkommen als Erpresser ein wenig aufbessern!" Andrej trat ihm mit seinem gepanzerten Stiefel kräftig gegen das Schienbein und sagte empört: "Denkt gar nicht erst an Erpressung, ich bin ein Paladin! Meine Ordensregeln lassen derlei Ausschweifungen nicht zu." Bendix stöhnte leise als er diesen Satz hörte, da Andrej mit seinen hehren Grundsätzen schon so manches gute Geschäft verhindert hatte, doch im Grunde stimmte er dem Paladin zu.

Außerdem genossen Rainald und er den Nervenkitzel, hinter dem Rücken ihres ritterlichen Freundes mit der einen oder anderen kleinen Gaunerei ein paar Gulden zusätzlich zu verdienen... Diese Überlegungen halfen ihnen aber in Sachen Schmuckstück nicht weiter, und so fragte Bendix in die Runde: "Irgendwelche Ideen? Am Besten gute Ideen?" Doch seine Freunde schüttelten die Köpfe. "Sirion, bist du dir sicher mit deinen Vermutungen?" Der kleine Jäger errötete und schüttelte erbost den Kopf. "Ich rede nicht von Vermutungen, sondern von Fakten!" Mit einer theatralischen Geste wies er auf den zertrampelten Picknickplatz: "Das ist für mich so leicht zu lesen wie jedes Buch!" Die anderen mussten ob dieser überheblichen Bewegung ein wenig kichern, doch wussten sie ganz genau, dass Sirion wirklich ein hervorragender Spurenleser war. Da inzwischen die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, blieb ihnen nicht mehr viel zu tun. Vorerst jedenfalls...

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