Wenig später servierte eben dieser höchstpersönlich eine Runde des widerlich duftenden Getränks und setzte sich zu den Freunden. Bendix, der seine wohlgefüllte Geldbörse vorsorglich in einer Innentasche verstaut hatte, beäugte den Bourbonen mißtrauisch, während Baldowan ihn mit knappem, aber freundlichen Handschlag begrüßte.
Malice war von unauffälliger, schlanker Statur und trug an diesem Tag verblichene Arbeitskleidung. Sein graue gesprenkeltes Haar war kurz geschnitten und umrahmte ein schmales Gesicht mit einer etwas vorspringenden Nase. Ein kleiner Spitzbart kontrastierte gut mit der olivbraunen Haut und gab dem Wirt ein erstaunlich vertrauenerweckendes Aussehen.
"Nun, meine Freunde, lasst uns auf das Wohlergehen eines gemeinsamen Freundes anstoßen, um den es zur Zeit nicht zum Besten steht!" Bendix nickte dem Bourbonen zu und erhob das Gläschen, in dem eine milchig-grünliche Flüssigkeit schimmerte, von der ein nicht unbeträchtlicher Alkoholdunst ausging. Malice schlürfte den Likör genießerisch und leckte sich anschließend verzückt die Lippen. Bendix schnupperte an seinem Glas. Nun, so schlimm konnte es eigentlich nicht sein, oder? Inzwischen hatte auch Baldowan sein Getränk hinuntergestürzt und anschließend genüßlich gerülpst. Bendix zuckte ergeben mit den Achseln und führte das Glas an die Lippen. Der Pfefferminzlikör brannte auf den Lippen und hinterließ einen widerwärtig-süßlichen Geschmack, der sich noch verstärkte, als sich die Flüssigkeit die Speiseröhre hinunterbrannte.
So sehr Bendix sich auch bemühte, vor den beiden anderen das Gesicht zu wahren, schaffte er es kaum, den Brechreiz zu bezwingen. Er spürte, wie sein Gesicht brannte und beeilte sich, sein Ale in einem Zug hinterherzuschütten. Er hatte in ganz Albion noch nie etwas so ekliges getrunken und schüttelte schockiert den Kopf. Bourbonen!
Unterdessen hatte Baldowan begonnen, mit Malice zu verhandeln. "Wir brauchen Informationen über Jean-Claude, einen Landsmann von Euch. Detaillierte Informationen."
Malice hob eine Augenbraue, während er belustigt Bendix Gesicht betrachtete. "Der Jean-Claude?" "Genau der!" antwortete Baldowan. "Nun, das ist, wie soll ich sagen, ein wenig heikel. Er ist ein guter Kunde von mir..."
"Natürlich," gab Baldowan zurück. "Rainald ist auch ein guter Kunde von Dir."
"Vielleicht ist es sogar in Jean-Claudes Interesse, wenn ich Euch helfe," grübelte Malice. "Nun gut. Noch mehr?"
Baldowan blickte fragend zu Bendix hinüber. Dieser schüttelte den Kopf. "Nennt uns den Preis, Malice." Der ehemalige Meisterdieb zwinkerte mit den Augen. "Es geht ja um das wohl meines Freundes Rainald. Deshalb kosten Euch die Informationen gar nichts. Vorerst." "Vorerst?"
"Nun ja, solltet Ihr eine Belohnung für Eure Nachforschungen erhalten oder, sagen wir, Gewinn erzielen, verlange ich einen Anteil. Das ist nur fair." Bendix, als Kaufmann selbst im Verhandeln versiert, musste anerkennend zugeben, das Malice ein ordentliches, aber gerissenes Angebot gemacht hatte, das ihm unter Umständen viel Geld einbringen konnte. Bendix wollte ihr Gegenüber gerade auf einen halben Anteil herunterhandeln, als Baldowan schon einschlug und den Handel besiegelte. Malice zog die Flasche hervor und goß ihnen eine Runde Likör in die Gläser. Bendix schüttelte nur den Kopf und leerte sein Glas unauffällig in eine dekorative Vase, während Baldowan und Malice fröhlich tranken. Mit den Worten "Kommt gegen Abend vorbei, dann werdet ihr alles bekommen, was ihr braucht", verabschiedete sich der Wirt und verneigte sich höflich.
"Können wir ihm trauen?", wollte Bendix wissen "Er ist Bourbone!" "Natürlich können wir nicht. Aber er hat gute Kontakte, und wenn er uns betrügt, dann werde ich ihn persönlich rösten. Und das weiß er auch."
Wenig später gingen die Freunde zum Stadtgefängnis, dass nahe der Zitadelle am Rande der Hauptinsel lag. Überraschend schnell wurden sie eingelassen und konnten mit dem Wachhabenden sprechen, der sich - gegen ein kleines Trinkgeld natürlich - bereit erklärte, die Vorschriften vorrübergehend zu vergessen und sie mit Rainald reden zu lassen. Baldowan klopfte auf seine leer Geldbörse und nickte Bendix auffordernd zu. Der Albioner fluchte innerlich, schnippte aber dann 10 Silbertaler auf den Tisch, die der Stadtwächter geschickt in einer Innentasche verschwinden ließ. Warum schien eigentlich jedermann zu denken, dass er für die Bezahlung der Bestechungsgelder zuständig war? Schließlich war er Freihändler und nicht Bankier oder Erbe!
Der Wächter nickte den beiden zu und führte sie in einen kargen Raum, der normalerweise Advokaten zur Verfügung gestellt wurde, wenn sie mit ihren Mandanten sprechen wollten. Wenig später betrat Rainald das Zimmer durch eine Türe auf der gegenüberliegende Seite und sank erleichtert auf einen der Holzstühle. "Schön, dass ihr da seid! Das Essen ist hier eine echte Katastrophe und die Gesellschaft ist auch ziemlich mies..."
"Wir haben leider noch keine Neuigkeiten für dich. Was ist mit dem anderen Gefangenen?" Rainald wies mit dem Daumen den Gang hinunter. "Sitzt in seiner Zelle und flucht vor sich hin. Der Junge kennt viele schmutzige Wörter, da kann ich tatsächlich noch was lernen!" Ob dieses Sarkasmus´ mussten Baldowan und Bendix dann doch ziemlich grinsen, dann kam der Magier aber schnell zur Sache. "Wieso war dein Schwert gestern Nacht eigentlich blutig,? Ich glaube kaum, dass du Markus angegriffen hast, oder?"
"Na ja, weil ich den fliehenden Dieb damit getroffen habe, ich glaube, an der rechten Hüfte. Hat jedenfalls schön gespritzt, der rote Saft!" Baldowan wunderte sich an dieser Stelle ein wenig, weil bei dem Fliehenden, den er mit Bendix verfolgt hatte, keine Schwertwunde zu entdecken gewesen war. Er beschloß jedoch, erst einmal weiterzufragen. "Und der Tote? War das dein Kumpel Markus?" Rainald erbleichte betreten und berichtete dann stockend, wie er Markus in seiner Ausbildungszeit bei dem Veteranen Wolfram kennengelernt hatte. Markus stammte aus Nevongard und hatte sich aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet. Zunächst hatte er sein Brot als Nachtwächter verdient, später dann als Leibwächter und zuletzt in dem unseligen Job am Lagerhaus.
"Hatte er Feinde, Rainald?"
"In diesem Job hat man immer einige Feinde, aber das ist normal. Ich kenne auch einige Männer, die mir nur zu gerne mit dem Schwert an den Hals wollen würden..." Zweifelsohne einige gehörnte Ehemänner, dachte Baldowan still bei sich, sprach diesen Verdacht aber nicht aus. "Irgendjemand im Besonderen? Ehemalige Liebhaberin, gescheiterter Attentäter?"
"Liebhaberin? Wenn überhaupt, dann Liebhaber... Aber mir fällt nur Mirkov ein, der vielleicht auf Rache sinnen könnte." "Mirkov?" "Ein schmutziger Kopfgeldjäger aus den Großfürstentümern, dem Markus kürzlich eine üppige Prämie weggeschnappt hat. Er treibt sich oft auf dem Nachtmarkt herum und wollte Markus neulich in einer Kneipe Zechprellerei anhängen. Aber ein Mörder? Ich weiß nicht so recht." "Noch jemand?" Rainald grübelte kurz und schüttelte dann den Kopf. "Nicht das ich wüßte! Fehlt eigentlich etwas aus dem Lager?"
Bendix erzählte dem inhaftierten Freund, wie sie in der vergangenen Nacht das Lager durchsucht hatten, ohne einen Hinweis auf einen Diebstahl zu finden. Rainald schien das sehr zu erleichtern, nur zu verständlich, schließlich war er als Sicherheitschef verantwortlich gewesen.
|