6. Tag
Ich sags ja immer: Man sollte einen Elfen nie einkaufen lassen! Erst kann er sich nicht entscheiden, dann gibt er sein ganzes Geld aus. Gut, dass wir keine Elfin in der Gruppe haben, ich wage gar nicht daran zu denken, was die in Nevongard mit unserer Gruppenkasse angestellt hätte, schließlich bietet die Stadt hervorragende Einkaufsmöglichkeiten.
Trotz allem waren wir rechtzeitig auf dem Frachtkahn unseres Auftraggebers Rudolph Blaudorn, der uns zu den bestreikten Minen mitnehmen sollte. Unser Paladin musste wie angekündigt einen eiligen Auftrag seines Chevillion-Ordens erledigen und konnte uns nicht begleiten, dafür war unser Troll gerade rechtzeitig wieder zurück. Wie immer, wenn ich die beruhigende Anonymität der Stadt verlasse, fühlte ich mich nicht wohl, obwohl ich zugeben muss, dass es sich bei so gutem Wetter wie heute auch auf dem Gomd gut reisen lässt. Abends erreichten wir ein kleines Dorf, wo wir in einem akzeptablen Gasthaus nächtigten.
7. Tag
Heute sah das Wetter gar nicht gut aus. Es regnete in Strömen, so dass wir uns unter einer Plane auf dem Vordeck verkriechen mussten. Immerhin reichte der Wind zum Segeln aus. Plötzlich wurde die Reise durch einen Zwischenfall unterbrochen: Unser Kapitän nahm Kurs auf ein kleines Boot, das mit schwerer Schlagseite den Gomd entlangtrieb, um Hilfe anzubieten. Wir standen an der Reling und rätselten, was dem kleinen Boot wohl passiert sein könnte. Allerdings merkten wir bald, was Sache war: Wie von Zauberhand richtete sich das Boot wieder auf und nahm mit schnellen Ruderschlägen Kurs auf unser Boot, zwei Armbrustschützen tauchten wie aus dem Nichts hinter der Reling auf und schossen auf uns!
Blitzschnell ließ ich mich hinter die Reling fallen und machte wutentbrannt meine Schleuder bereit. Sirion hatte weniger Glück, er wurde von einem Bolzen am Arm getroffen. Jetzt konnten wir zeigen, wie gut wir kämpfen konnten, allerdings hatte ich gewisse Bedenken, als ich insgesamt neun Gegner zählte. Ich ließ die Schleuder kreisen und holte einen der Armbrustschützen von den Beinen. Dem hübschen Krachen nach zu urteilen, musste sein Schlüsselbein gebrochen sein. Unser Troll stand mit geschlossenen Armen murmelnd auf Deck und schien geistig völlig abwesend zu sein. Gerade, als ich ihn anfahren wollte, dass er gefälligst mitkämpfen sollte, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Zauberer im Kampf. Er schickte einen bläulich schimmernden Frosthauch auf das andere Boot nieder, der die meisten Insassen vorrübergehend erstarren ließ. Sirion und unser Freihändler beschossen das angreifende Boot mit Arkebuse, Armbrust und Bogen und zeigten den Banditen, dass wir uns keinesfalls als leichte Beute ergeben würden.
Ihr Anführer zog unterdessen eine Haftfeuergranate aus dem Umhang, entzündete sie und warf sie ausgesprochen gut gezielt auf unser Boot, wo sie den Mast und das Mitteldeck im Nu in Flammen setzte. Während wir das näherkommende Boot weiter unter Beschuß nahmen, dämmte unser Magier das Feuer mit einem neuerlichen Frosthauch notdürftig ein und überließ es dann den Seeleuten, das Feuer zu löschen. Leider war das Boot der Angreifer wesentlich manövrierfähiger als das unsere, so dass sie uns bald enterten und mit Kurzschwertern attackierten. Wir traten ihnen mutig entgegen – was blieb uns auch anderes übrig, die Banditen brauchten ja nicht zu wissen, dass mir das Herz vor Angst in die Hose gerutscht war – und nahmen den Nahkampf auf.
Währenddessen schickte unser Troll den Anführer der Piraten mit einem seltsamen Zauber ins Wasser. Auf einmal taumelte der Pirat, ruderte ein wenig mit den Armen und besuchte dann die Fische. Ich hoffe nur, dass er reichlich dreckiges Gomdwasser geschluckt hat. Schlechter erging es unserem Freihändler Bendix in seinem ersten Kampf. Sein Gegner war ein hirnloser Hüne, der ihn mit brutalen Schlägen gleich in arge Bedrängnis brachte und ihn schwer verletzte. Dann kam auch noch Pech dazu, als Bendix sich bei seinem etwas übereifrigen Gegenangriff selbst das Kurzschwert in die linke Hand hackte. Er sackte ohnmächtig und blutend darnieder. Trotzdem gelang es uns, die Gegner in die Flucht zu schlagen. Ich hackte einem den Arm ab, unser Troll spielte seine große Kraft aus und Sirion demoralisierte die Gegner mit seinem eleganten, schnellen Kampfstil.
Als schließlich drei der Gegner unser Deck als Leichen zierten – sehr hübsche Dekoration – floh der Rest. Wutentbrannt versuchten wir, die Piraten an der Flucht zu hindern, allerdings konnten wir ihr schnelles Ruderboot nicht aufhalten. Gut, das unser Paladin nicht dabei war, der wäre vermutlich vor Entrüstung in Ohnmacht gefallen, während Sirion und ich die Fliehenden unter Beschuß nahmen.
Danach gings ans Aufräumen. Unseren Freihändler hatte es übelst erwischt, das Kurzschwert steckte noch im linken Unterarm. Leider gelang es mir nur notdürftig, ihn zu versorgen: Als ich das Kurzschwert aus seinem Arm entfernte, brach ich ihm denselben. Peinlich, peinlich...
Wir anderen hatten einige Blessuren davongetragen, glücklicherweise aber nichts Gefährliches. Während wir weitersegelten, untersuchten wir die toten Angreifer. Alle trugen eine eintätowierte Flamme auf der Hand, wiesen aber sonst keine besonderen Merkmale auf. Wir erbeuteten immerhin 22 Gulden, drei Kettenhemden und einigen Kleinkram.
Keiner von uns konnte die Flammensymbole identifizieren oder einer Gilde zuordnen, so dass wir nicht wissen, ob wir von gewöhnlichen Banditen oder von angeheuerten Schlägern überfallen wurden. Fazit des heutigen Tages ist sicherlich, dass wir uns im Kampf nicht schlecht schlagen, obwohl uns Andrej heute sehr gefehlt hat, besonders im Nahkampf. Ich muss unbedingt einmal meine medizinischen Kenntnisse auffrischen, jedenfalls haben meine heutigen Bemühungen unserem Freihändler leider mehr geschadet als geholfen.
Abends erreichten wir das Bergwerk und wurden von dem zwergischen Bergmeister recht gut aufgenommen.
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