Er erwartete nicht, dass sein Kunde auf dieses Angebot eingehen würde und wunderte sich sehr, als der sofort die Hand zum bekräftigenden Handschlag ausstreckte. Bendix jubelte innerlich und schlug ein, bevor er seinen Abnehmer freundlich zur Tür geleitete.
Kaum hatte der das Kontor verlassen, sprintete der junge Händler hektisch ins Lager, wo Rainald seinen letzten geschuldeten Arbeitstag ableistete. "Rainald, wo steckst du?" Er hastete an den Fässern vorbei, bis er den Straßenkämpfer in der letzten Ecke fand, wo der seelenruhig auf einer alten Strohmatratze vor sich hin schnarchte. Ein schneller Tritt mit dem Stiefel ließ den Schläfer allerdings aufspringen und sofort - aus alter Gewohnheit vermutlich - das Stilett aus dem linken Ärmel reißen.
"Ah, du bist´s bloß. Was gibt´s denn?" "Ich habe gerade 15 Fässer Bier verkauft, zu einem Mordspreis!" Rainald kämpfte gegen die Müdigkeit an, konnte aber offenbar noch klar denken. "Wir haben aber keine 15 Fässer Bier, sondern nur 10 Fässer albionisches Ale!" "Das weiß ich doch, aber wir können sicher noch fünf Fässer Bier auftreiben. Die Abholung ist erst heute nachmittag!" Bendix strahlte optimistisch. "Heute nachmittag? Na dann ist das ja kein Problem," antwortete Rainald mit vor Sarkasmus triefender Stimme, schickte sich aber umgehend an, seine Stiefel zu schnüren. Bendix selbst hetzte los, um zunächst noch etwas Geld zu leihen und anschließend billiges Bier zu suchen und zu kaufen.
Wenige Stunden später war der Optimismus einer gesunden Portion Verzweiflung gewichen. Leider hatte er weder seine Freunde Baldowan, Andrej oder Sirion gefunden, noch seinen Mentor Blaudorn, so dass er sich am Ende gezwungen gesehen hatte, bei einem der ansässigen Wucherer 20 Gulden zu leihen, etwas, was er normalerweise nie getan hätte. Außerdem war es ihm noch immer nicht gelungen, die letzten beiden Bierfässer aufzutreiben, die zur Vervollständigung der Lieferung noch fehlten. Schließlich stolperte er müde zu seinem Kontor zurück, wo Rainald ihn mit strahlender Miene und fünf Bierfässern auf dem Hof erwartete.
Bendix kam aus dem Staunen nicht heraus und fragte verblüfft: "Wo hast du das nur auftreiben können?" Der Straßenkämpfer grinste fröhlich und berichtete dann weitschweifig, wie er die Fässer bei einem gewagten Glücksspiel auf dem Nachtmarkt von einem Kaufmann aus Bourbon gewonnen hatte, der seine Finger besser von den Würfeln gelassen hätte. Lange bevor er seine Geschichte beendet hatte, rollte schon der vierspännige Wagen des Kunden auf den Hof und der schmierige, namenlose Zwischenhändler sprang behänd vom Bock. "N´Abend, Händler! Wo ist das Bier? Wir können aufladen!"
Bendix grüßte eilig zurück und wies mit dem Zeigefinger auf Rainalds Fässer, die im Hof darauf warteten, verladen zu werden. "Der Rest steht noch im Lager." Nun sprang ein halbwüchsiger, schmuddeliger Bengel von der Ladefläche des Vierspänners, um beim Beladen mit zu helfen. Der Kunde schien es eilig zu haben, denn er packte selbst mit an, so dass es nicht lange dauerte, bis die 15 Fässer verladen waren. Mit einem kurzen Gruß zum Abschied warf er Bendix einen prall gefüllten, kleinen Beutel zu, den dieser geschickt auffing, ein fröhliches Grinsen im Gesicht.
Rainald blickte dem Vierspänner lange skeptisch hinterher, während Bendix m Hof des Kontors einen überschwänglichen Freudentanz aufführte. "Komm, dieses Geschäft müssen wir feiern!" Rainald nickte, fügte aber noch an: "Solltest du nicht erst dem Wucherer seine 20 Gulden zurückzahlen?" Bendix ignorierte diesen Einwand und wiederholte: "Jetzt wird erstmal gefeiert!"
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