Schon bald förderte der Schläger einen kleinen, silbrigen Gegenstand zu Tage, den er Mirkov übergab. Mirkov drehte den Gegenstand hin und her und erblasste dann, dass seine Gesichtsfarbe an einen kränklichen Untoten erinnerte. "Raus hier! wir weg!", schrie er hektisch und ließ dann den kleinen silbrigen Gegenstand fallen. Dieser landete scheppernd auf dem Boden, bewegte sich kreiselnd und kam schließlich, überraschenderweise unbeschädigt, zum Liegen. Es handelte sich um einen Spiegel. Merkwürdigerweise zeigte er aber nicht ein Stück der Raumdecke, sondern das Gesicht einer kleinen, gepanzerten Gestalt, die freundlich lächelte....
Rainald nutzte den Augenblick und trat Mirkov herzhaft auf den Fuß, um dann mit seiner ganzen Kraft zuzuschlagen und genießerisch dem Geräusch knirschender Wangenknochen zu lauschen. Baldowan hatte sich schon vorbereitet, im nächsten Moment einen Zauber abzusetzen und drückte mit einem kleinen, feinen Druckzauber die Pistole seines Bewachers zur Seite. Dieser reagierte zu spät und zog den Abzug erst durch, als er genau auf einen seiner Kollegen zielte, der blutüberstömt zusammenbrach.
In diesem Moment brach die Hölle los. Mirkovs Schläger schossen aus allen Rohren, auch auf die Gefahr hin, ihre eigenen Leute zu treffen. Ein Schuß aus einer Donnerbüchse traf Baldowan an der Schulter und ließ ihn taumeln. Doch der Troll war hart im Nehmen und richtete sich umgehend wieder auf, um sich zu revanchieren. Alicia lag am Boden, zerrte verzweifelt an dem Bolzen, der in ihre Schulter gedrungen war und stöhnte laut, doch insgesamt waren sie nicht schlecht weggekommen, dachte Baldowan. Der zweite Donnerbüchsenschütze hatte versehentlich einen der Pistoleros ausgeschaltet, Bendix hatte mit einem beherzten Hechtsprung sein Kurzschwert zurückgeholt und drang auf zwei der Schläger ein. Rainald wälzte sich mit Mirkov am Boden und traktierte das Gesicht des Kopfgeldjägers mit gnadenlosen Faustschlägen.
Aus Alicias Stöhnen wurde ein Wimmern, das Baldowan herumfahren ließ. Ein kleiner schmutziger Schläger bearbeitete die Verwundete mit seinem Dreschflegel. Der Troll spürte, wie das Blut in seinen Adern zu kochen begann und vergaß jegliche magische Begabung, als er den Mann mit einem brutalen Fußtritt niederstreckte. Er zuckte noch einmal und blieb dann - zumindestens ohnmächtig - auf dem schmutzigen Boden liegen.
Mittlerweile war es Mirkov gelungen, aus Rainalds Klammergriff zu entkommen und die beiden umkreisten sich - Mirkov mit einem Dolch bewaffnet, Rainald mit der bloßen Hand - abwartend und lauerten auf Fehler des Gegners. Diese beiden beherrschten ihr schmuiges Handwerk, das musste man zugeben. Rainald war der etwas leichtfüßigere, beweglichere, während Mirkov seine Waffe blitzschnell zu bewegen verstand. Baldowan zögerte einen Moment, entschied sich aber dann, zunächst nicht einzugreifen. Schließlich hatte Mirkov einen von Rainalds Freunden auf dem Gewissen.
Die Spießgesellen des Kopfgeldjägers hatten sich neu formiert und drangen auf Bendix ein, der nur mit Mühe seine Position neben der verletzten Alicia halten konnte. Baldowans Blut drohte erneut überzukochen, und schließlich entsann er sich, dass man ihn nicht umsonst Baldowan Flammenfaust zu nennen pflegte.
Blitzschnell die Konzentration sammelnd fokussierte er seine Magie und schickte einen der Schläger mit einem kräftigen Feuerstrahl zu Boden. Schon wenige Sekunden später folgte der zweite, dann der dritte. Mit jedem der Strahlen hatte er einen Gegner ausgeschaltet, doch nun fühlte er sich schwach und ausgezehrt. Die Anwendung von Magie, insbesondere so exzessive, wiederholte, schwächte Körper und Geist. Während er noch überlegte, ob er einen seiner kostbaren Ausdauertränke zu sich nehmen sollte, passierten mehrere Dinge fast gleichzeitig.
Mit einem lauten Knall sprang die Türe, durch die sie gekommen auf, und eine schwer gepanzerte Gestalt sprang herein, wild das Breitschwert schwingend. Dahinter schob sich ein kleiner, grün gewandeter Elf in den Raum und machte ein Langmesser bereit. Baldowan gestattete sich ein erleichtertes Lächeln. Mit seinen Freunden Andrej und Sirion im Hintergrund würden sie diesen Kampf nicht verlieren, soviel war klar.
Im Angesicht dieser Übermacht wisperte Mirkov einige leise Worte und wurde unsichtbar. Unsichtbar? Nein, nicht ganz. Er blieb schemenhaft erkennbar, doch hatte Rainald nun größte Probleme, ihn im Kampf auf Abstand zu halten. Kaum hatte der Troll diesen Gedanken gefasst, als der Strassenkämpfer auch schon zusammensackte, Mirkovs Dolch in der blutigen Seite. Der Kopfgeldjäger sprang zurück und verschwand durch die Tür am hinteren Ausgang. Baldowan überzeugte sich, das seine Freunde hier alles unter Kontrolle bekommen würden und sprintete voller Zorn hinterher. Die Jagd ging durch einen weiteren, schlecht erleuchteten Gang, der nur von sehr wenigen Fackeln erleuchtet wurde. Baldowan stöhnte vor Erschöpfung. Die Zauber im Kampf hatten ihm mehr zugesetzt, als er zunächst gedacht hatte. Mit viel Glück würde er noch einen Feuerstrahl setzen können, bevor ihn die Ohnmacht überwältigen würde, mehr aber sicher nicht. Im vollen Lauf war es ihm nicht möglich, einen Ausdauertrank aus dem Inneren der Robe zu ziehen, zudem hatten ihn erfahrene Magier wiederholt davor gewarnt, zu viele Tränke zu nehmen. Zu groß war das Risiko unangenehmer Nebenwirkungen.
Sehen konnte er Mirkov nicht, aber er hörte den Kopfgeldjäger weiter vorne den Gang entlang sprinten. Schließlich erreichten sie eine schwere, hölzerne Türe, durch die der Fürstentümler schlüpfte, bevor Baldowan aufschließen konnte. Mit einem lauten Knall sprang die Türe ins Schloß und ein leises Kratzen deutete darauf hin, dass von der anderen Seite aus ein Riegel vorgelegt worden war.
Baldowan fluchte lauthals und starrte die schwere Türe mit hypnotischem Blick an. Magie oder Muskelkraft, fragte er sich und entschied sich mit Rücksicht auf seine von vielen Zaubern schon stark strapazierte Ausdauer für Muskelkraft. Mit einer gewaltigen Anstrengung wuchtete er die schwere Tür aus den Angeln und warf sie dann achtlos hinter sich, wo sie krachend splitterte. Von seinen Freunden folgte ihm noch keiner, offenbar war das Handgemenge mit den Schlägern mühsamer als erwartet. Der Troll hetzte weiter und erreichte schließlich einen heruntergekommenen, mit vielen Kleinteilen übersäten Hof, der in Nevongards Unterstadt liegen musste. Seine Blicke flogen über einen alten Pferdewagen, über ein zerborstenes Wagenrad, mehrere Taurollen, einige kaputte Werkzeuge und sogar einen umgeknickten Obstbaum, doch Mirkov war nicht zu entdecken. Auf der anderen Seite des Hofes gab es ein großes, zweiflügliges Tor, das der einzig andere Ausgang zu sein schien. Die Gebäude ringsum waren zumeist zweistöckig, teils auch höher und gehörten zu den typischen Fachwerk-Lagerhäusern der Gegend.
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