Letzter Tag
Zum Abschied plante man einen großen Maskenball, der vermutlich diesmal nicht in einer mittleren, sondern in einer gigantischen Orgie enden sollte. Na ja, warum auch nicht? So wählten wir dann unsere Kostüme aus: Baldowan kleidete sich als Primaballerina und gab dabei ein ausgesprochen lächerliches Bild ab, Sirion machte als Krokodil eine gute Figur, Andrej trug als Wogenwolf eine gigantische Hellebarde durch die Gegend und ich selbst hatte mich in einer Hommage an Auguste de Gourmont in einen Assasinen verwandelt. Auch die anderen Gäste hatten sich hübsch verkleidet, einzig Bendix fehlte immer noch. Offensichtlich zeigte ihm seine junge Gespielin ihre Wohnung im naheliegenden Dorf...
Eigentlich hätte es ein netter Abend werden können (ich hatte die hübsche Magd Sarbara schon ins Auge gefasst – und nicht nur dahin....), wenn nicht Fortuna mal wieder einen weiten Bogen um mich und mein Schicksal gemacht hätte. Schon während des ersten Spiels, der Suche nach dem Rosenöl, kam es zum Streit, in Folge dessen der resolute Oberst Fernando und Lothar zur Beruhigung auf ihre Zimmer schickte. Ein Fehler, wie sich nur wenig später zeigen sollte. Minuten später taumelte die hübsche Sarbara in den Ballsaal – über und über mit Kratzern bedeckt. Sie fiel mir in die Arme und stammelte, das Fernando sie überfallen hätte. Meine Zornesadern pochten und ich schwor mir, diesen Schänder weiblicher Schönheit zur Strecke zu bringen, koste es, was es wolle (mit Ausnahme meines Lebens natürlich...)
Wir spurteten in die Eingangshalle und dann nach draußen, wo wir eine fliehende Gestalt ausmachen konnten, die zu unserem Schrecken die kleine Giselle Minderjahn unter dem Arm trug. Während Sirion und Andrej in der Halle Jagdwaffen von den Wänden rissen, stürmten Baldowan und ich sofort und nahezu unbewaffnet hinter dem Schurken her. Übrigens, Trolle haben beeindruckende Zornesadern!
Mit Mühe holten wir den Fliehenden ein, doch erst ein hübscher kleiner Zauber von Baldowan verwirrte Fernando so, dass ich ihn angreifen konnte – mit meinem Stilett, dass ich unter dem Ärmel meiner Kleidung getragen hatte. Der Gegner erwies sich als unerwartet stark und auch mit der Hilfe von Andrej und Sirion taten wir uns äußerst schwer, den Lykantrophen zu besiegen, da unsere Waffen gegen ihn nur wenig wirksam waren. Als wir ihn endlich getötet hatten, stellte sich heraus, dass es sich nicht um Fernando, sondern um Lothar in der Maske des Fernando gehandelt hatte. Damit glaubten wir, auch das Rätsel um den Tod der Bäuerin gelöst zu haben und freuten uns auf einen entspannten Ausklang des Abends.
Als wir zum Schloß zurückkehrten, lag dieses in absolutem Dunkel. Wir wussten nicht, was wir tun sollten, doch schließlich schlichen Sirion und ich vorsichtig in das Hotel hinein. Auf der Treppe ertastete Sirion etwas weiches, blutiges, metallisch riechendes.... Eine Leiche! Ahhhhhhhhhh! Wo fährt die nächste Kutsche nach Nevongard? Doch wir fühlten uns den Blaudorns so verpflichtet, dass wir beschlossen, den Vorgängen auf den Grund zu gehen. Im Ballsaal konnten wir im Vorbeigehen den Oberst sehen, der ein makabres Dienstmädchenballett dirigierte. Offensichtlich war auch er ein Ghul, eine mächtige Kreatur der Verdammnis. Schluckend schlichen wir in unsere Zimmer und holten unsere Ausrüstung. In den anderen Zimmern entdeckten wir weitere Leichen, unter anderem die des echten Fernando, nicht aber die der Blaudorns.
Nachdem wir uns flüsternd beratschlagt hatten, beschlossen wir, zunächst die Ausrüstung zu Baldowan und Andrej hinunter zu bringen. Leider wurde Sirion auf dem Rückweg vom Oberst entdeckt, der sich sofort als Unhold zu erkennen gab, sich dann aber tiefer in den Ballsaal zurückzog. Kurze Zeit später stießen Andrej und Baldowan zu uns, um sich zu bewaffnen. Gemeinsam stürmten wir dann – von Sorge um die Blaudorns getrieben – in den mittlerweile schaurig geschmückten Ballsaal. Dort fanden wir den nevongardischen Ratsherren auf einem schaurigen Scheiterhaufen-Thron sitzend vor, umgeben von seinen untoten Untergebenen: Die dicke Kauffrau, der arrogante Emmanuelle, der Oberst und die kaltblütige Schönheit, von deren optischen Reizen zur Zeit allerdings die sechs geladenen Arkebusen ablenkten, die vor ihr auf dem Boden bereit lagen.
Der Ratsherr bot einem von uns die Verwandlung zu einem Untoten an, die anderen drei werde er töten. Anderenfalls, so drohte er, würde er die Geiseln töten, die er in einer Ecke des Saales in Schach halten ließ. Flüsternd berieten wir uns und kamen schließlich zu einem riskanten Plan, der uns durchaus alle das Leben hätte kosten können, mit Ausnahme von Bendix natürlich, der im nächsten Dorf selig in den Armen einer hübschen jungen Frau schlummerte... Baldowan brachte einen raffinierten Zauber an, der die geladenen Arkebusen unserer Gegnerin zur Seite fegte. Nicht auszudenken, wenn er hier versagt hätte! Entschlossen stürmten wir los – ich konnte gerade noch der anstürmenden Kauffrau ausweichen, die daraufhin in den Scheiterhaufen stürzte und diesen entzündete. Hatte ich erwähnt, dass auch einige Fässer Schießpulver unter dem nun brennenden Thron lagerten? Das machte unsere Lage noch wesentlich brisanter, da uns nur äußerst wenig Zeit blieb die Geiseln zu retten.
Während Baldowan und Sirion das Fenster in der Ecke öffneten, beziehungsweise Baldowan es mit seinem massigen Körper zerstörte, fiel Andrej und mir die zweifelhafte und vor allem ausgesprochen gefährliche Ehre zu, das Fenster gegen den verdammten bourbonischen Fechtmeister zu verteidigen. Ich habe noch nie einen so eleganten, starken Kämpfer gesehen. Seine Angriffe gingen nie fehl, wenn man nicht parierte, steckte man unweigerlich einen Treffer ein, der mit unglaublicher Kraft gesetzt wurde. Mit Mühe hielten wir die Stellung, allerdings ohne dem Bourbonen ernsthaften Schaden zufügen zu können. Es geschah, was geschehen musste: Mit einem gezielten Angriff durch das Visier (!!!) unseres Paladins stach Emmanuelle Andrej das linke Auge aus. Heldenhaft kämpfte er weiter, doch wir waren beide nur zu froh, als Sirion endlich alle Geiseln aus dem mittlerweile völlig verräucherten, brennenden Raum geschafft hatte. Erschöpft flohen wir mit einem Sprung aus der ersten Etage in den Garten. Fortuna kann mich doch nicht ganz vergessen haben, da ich mich bei dem Sprung zwar leicht verletzte, die zahlreichen Rosensträucher jedoch verfehlte...
ber uns im Fenster erschien ein wutschnaubender bourbonischer Fechtmeister, nebenbei ein Ghul, der dann in einer ohrenbetäubenden Explosion zerfetzt wurde. Ich nahm genüßlich einen Schluck Heiltrank und lehnte mich ins Gras zurück, um das Feuerwerk zu genießen. Müde brachen wir auf Richtung Nevongard, nicht ohne einen blöden Spruch von Bendix zu hören zu bekommen, der uns fragte, warum unsere Haut und unsere Kleidung denn so verräuchert seien. Hätte ich nicht gewußt, wie empfindlich er auf Verletzungen reagiert, ich hätte ihn kräftig geschlagen und getreten....
|