Orbis Incognita
Orbis Incognita - Das Rollenspiel
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Letzter Tag

Heute fand die Abstimmung im Hause Blaudorn statt. Alle wichtigen Personen waren anwesend, mit Ausnahme von Seggel (keine Überraschung) und Karl Blaudorn, dem Bruder, dem ein seltsamer Unfall am vorherigen Abend das Kommen unmöglich gemacht hatte. Bei der Abstimmung entfielen 55 Prozent der Stimmen auf Rudolph, 45 Prozent enthielten sich. Offenbar hatte Karl eine Vollmacht erteilt, für seinen Bruder zu stimmen. Wir atmeten erleichtert auf und schlossen uns der ganzen Gesellschaft an, die Rudolphs Einladung folgte, auf einem hübsch geschmückten Boot den Neuanfang zu feiern. Man, was für eine sinnlose Geldverschwendung: Das Boot war über und über mit Girlanden geschmückt, die Kellnerinnen hatte Blaudorn junior offensichtlich persönlich ausgesucht (sein Geschmack ist über jeden Zweifel erhaben!), die Getränke waren äußerst erlesen und dazu gab es Häppchen, die jeden Gaumen erfreuten.

Als wir das Boot erreichten, fielen mir plötzlich die verschwundenen Fässer mit Schießpulver ein. Ich schaute zu Sirion hinüber, dem ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen schienen. Er nickte kurz und wir bedeuteten Blaudorn unauffällig, das Boot noch nicht zu betreten. Wir durchsuchten das Boot und fanden im Laderaum die gesuchten Fässer, offensichtlich mit einem Zeitzündungsmechanismus versehen, der noch 30 Minuten anzeigte. Wir verständigten die Stadtwache und einen Fallenmeister, da keiner von uns über die Kenntnisse verfügte, eine solche Höllenmaschiene zu entschärfen. Der Fallenmeister stellte fest, dass die Vorrichtung, die absolut legal verkauft worden war, nicht ohne weiteres entschärft werden konnte. Laut der Gilde der Fallenmeister war die Vorrichtung übrigens verkauft worden an... Sebastian Seggel. Damit hatten wir endlich unseren Beweis gegen den Winkeladvokaten, der nun von der Stadtwache gesucht wurde.

Das verminte Boot wurde von einigen unerschütterlichen Ruderern der Hafenwache auf den Fluß geschleppt, wo es explodierte, ohne Schaden anzurichten – lediglich eine alte Tempelruine auf der Nachbarinsel Parvagard stürzte ein.

In der Zwischenzeit hatte man Seggel in einem Restaurant ausfindig gemacht und einen Befehl zur sofortigen Deportation gegen ihn ausgestellt, den wir vollstrecken sollten. Gut gelaunt machten wir uns auf den Weg, leider ohne viel nachzudenken. Was sollte ein einfacher Winkeladvokat schon anrichten? Baldowan war übrigens nicht mehr bei uns, er hatte bei der Durchsuchung des Bootes einige Flaschen hervorragenden Weines unauffällig bei Seite geschafft und sich dann im Schatten eines Lagerhauses in Rekordzeit vollaufen lassen... Gut, wir würden ihn kaum brauchen, um einen einzelnen Advokaten festzunehmen.

Als wir das Restaurant betraten, sahen wir Seggel sofort. Er saß in Begleitung einer finsteren Gestalt an einem Ecktisch. Der Finsterling blickte uns an und erkannte uns sogleich, schließlich hatten wir ihn und seine Kumpane auf seinem Flußboot besiegen können. Der Typ – später sollten wir feststellen, dass er als „Zlokit, der Feuerteufel“ bekannt war – grinste hämisch, zog eine seiner geliebten Haftfeuergranaten aus dem Umhang und warf sie neben uns an die Wand, wo sie glücklicherweise den brennenden Wandleuchter verfehlte und sich nicht entzündete. Sofort brach Panik in dem wohlsituierten Restaurant aus.

Soviel zu unserem Auftrag, Seggel unauffällig zu verhaften und zu deportieren. Ich versuchte sofort, den gefährlichen Zlokit mit der Schleuder zu treffen, doch in dem Getümmel verfehlte ich ihn knapp. Sirions Pfeil prallte von seiner Rüstung ab. Andrej stürmte entschlossen nach vorn und griff den Feuerteufel mit blanker Klinge an, doch dieser erwies sich als sehr geschickt und wich dem Angriff aus. Unser Freihändler (nein, ich unterstelle ihm keine Feigheit, sondern bewundere seine Klugheit) rannte aus dem Schankraum nach draußen, um Seggel an einer Flucht durch das Fenster zu hindern. Sehr schlau, wie sich herausstellte, da Seggel genau dies versuchte und dem wackeren Freihändler, der seine schlotternden Knie gut zu verbergen wusste, ins offene Messer lief. Damit war Seggels Verbrecherlaufbahn vorläufig beendet und er lag bald als gut verschnürtes Paket in der Gosse.

Derweil amüsierten wir uns mit Zlokit, der sich als äußerst gefährlich erwies. Er knallte seine nächste Granate auf den Tisch, wo sie sich sofort an der Kerze entzündete. Ich hasse Haftfeuer! Andrej sicher auch, denn der Feuerteufel warf ihm die brennende Tischdecke ins Gesicht und setzte ihn so vorläufig außer Gefecht. Ich stürmte kurzentschlossen los, zog Kurzschwert und Stilett, um den Schurken zu zerstechen, holte machtvoll aus – rutschte schmählich auf einem steinharten Brötchen aus und landete unsanft auf dem Hinterteil (ich werde nie wieder in diesem Restaurant essen – für die Preise könnte man wenigstens frische Brötchen erwarten).

Unterdessen stürmte Sirion auf den Halunken los und stellte schnell fest, das dieser ein geschickter Kämpfer war und zudem noch ein Kettenhemd unter der Jacke trug. Andrej befreite sich von der brennenden Tischdecke und griff wieder in den Kampf ein, was Zlokit zur Flucht bewog. Er setzte über einen Tisch und sprang aus dem Fenster auf die Strasse. Ich sprintete sofort laut fluchend hinterher, holte den Gauner bald ein und griff ihn an. Meine wütenden Angriffe brachten ihn zu Fall und seine Haftgranaten zum Zerbrechen, allerdings ohne sich zu entzünden. Gekonnt setzte ich ihm mein Stilett an die Kehle und nahm ihn fest. So hatte der Spuk ein Ende.

Nach und nach entwirrte sich die Geschichte. Seggel kannte Karl Blaudorn aus seiner Studienzeit in Altenstein und konnte ihn – auf Grund einer versehentlichen Teilnahme an einer Orgie des Teufelskultes – erpressen. Seggels Plan: Erst Rudolph an die Macht bringen, dann sämtliche Eigner der Firma Blaudorn durch eine gezielte Explosion ins Jenseits bringen – Karl wäre danach der Erbe, da er auf Grund des fingierten Unfalls als einziger überlebt hätte – und dann Karl erpressen und nach Strich und Faden ausnehmen.

Zusammen mit Zlokit hatte Seggel schon vorher profitable Gaunereien betrieben. Seggel hatte Zlokit vertrauliche Informationen aus der Kanzlei zugespielt, so dass dieser mit seiner Bande gezielt reiche Landgüter ausrauben konnte. Weil Zlokit die ausgeraubten Güter meist hatte niederbrennen lassen, war man ihnen nicht auf die Spur gekommen. Zlokit hatte sich im übrigen aus den Händen der unfähigen Stadtwache befreien können und dann einen grauenvollen Freitod gesucht. Seine Kleidung war noch völlig vom Haftfeuer aus den geborstenen Granaten getränkt, so dass er zur lebenden Fackel wurde, als er in den Herd einer Garküche hechtete.

Unser Auftrag war damit beendet und Rudolph Blaudorn erwies sich als äußerst zufrieden und dankbar. Er zahlte uns die vereinbarte Prämie und legte sogar noch etwas drauf, so dass wir am Ende je 80 Gulden erhielten. Ich habe noch nie einen solchen Haufen Geld in der Hand gehalten! Nach diesem anstrengenden Auftrag werden wir erst einmal ein wenig die Ruhe genießen und in Nevongard ausspannen. Nebenbei werde ich die Zeit nutzen, um Soldalisch und Albionisch zu lernen. Vielleicht kann ich dann irgendwann einmal als Leibwächter an einem der großen, prunkvollen Königshöfe in Soldale oder Albion arbeiten. Ansonsten werde ich die Zeit genießen, den Frauen nachstellen (charmant, versteht sich!) und – man glaubt es kaum, mich bei unserem ehemaligen Chef Blaudorn junior nach soliden Anlagemöglichkeiten für meine 80 Gulden erkundigen.
Im übrigen hat uns die Stadt Nevongard das dauerhafte Recht verliehen, innerhalb der Stadtmauern leichte Waffen zu tragen, Andrej, der blaublütige Paladin erhält sogar Residenzrecht (nicht, dass er sich jemals ein Haus in Nevongard leisten könnte) und Baldowan erhielt das Recht, in die hiesige Magiergilde einzutreten. Ein schönes Abenteuer!

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